Das Ende des Krieges brachte für West- und Ostpreußen schicksalshafte Veränderungen: Große Teile Westpreußens, Danzig, die ostpreußische Stadt Soldau und das Memelgebiet wurden aufgrund des Versailler Vertrages ohne Volksabstimmung vom Deutschen Reich abgetrennt und - außer Danzig, das zur „Freien Stadt“ wurde, und dem Memelgebiet, das ein Freistaat werden sollte und 1923 von Litauen annektiert wurde - dem 1916 wiedergegründeten polnischen Staat übertragen. Für andere Teile Westpreußens östlich der Weichsel und Nogat sowie das südliche Ostpreußen bestimmte der Versailler Vertrag, dass die Bevölkerung durch eine unter internationaler Regie stehende Volksabstimmung kundtun sollte, ob sie in Zukunft zu Polen oder zum Deutschen Reich gehören wollte. Im westpreußischen Abstimmungsgebiet bekannten sich 92,42% für die Zugehörigkeit zu Ostpreußen und damit zu Deutschland und 7,58% zu Polen, in dem ostpreußischen Abstimmungsgebiet 97,86% für Deutschland und 2,14% für Polen. In diesem Zusammenhang sei der vom polnischen Volk noch heute verehrte Marschall Josef Pilsudski (1918-1922 polnischer Staatschef, 1926-1928 und 1930/31 polnischer Ministerpräsident) zitiert, der gegenüber dem damaligen deutschen Außenminister Gustav Stresemann am 10.12.1927 erklärte: „Ostpreußen ist ein unzweifelhaft deutsches Land. Das ist von Kindheit an meine Meinung, die nicht erst der Bestätigung durch eine Volksabstimmung bedurfte. Und dass dies meine Meinung ist, können Sie ruhig Ihren Ostpreußen in einer öffentlichen Versammlung in Königsberg zur Beruhigung mitteilen.“
Volksabstimmung in Treuburg
Am Tag der Abstimmung, Sonntag 11. Juli 1920, zog schon am frühen Morgen eine Musikkapelle durch die Stadt und weckte alle Bürger mit flotten Weisen. Bald nach 20:00 Uhr trafen aus den einzelnen Ortschaften des Kreises die Abstimmungsergebnisse ein und als kurz vor Mitternacht das endgültige Ergebnis vorlag, setzte sich ein Fackelzug in Bewegung, der auf dem Marktplatz endete, wo ein großes Freudenfeuer angezündet wurde. Die Kirchenglocken läuteten „Nun danket alle Gott“. Mit der Stadt Marggrabowa als östlichster Kreis zur Abstimmung aufgerufen, (eine gute Wegstunde von der polnischen Grenze entfernt) beginnt die Auszählung in Allenstein unter Kontrolle der Interalliierten Kontrollkommission. In der Kreisstadt mit ihren 121 Gemeinden wurden 28.627 Stimmen abgegeben; hiervon 2 Stimmen für Polen. Eine unvergessliche deutsche Ehrenurkunde wird der Kreisstadt mit ihren Gemeinden ausgestellt. Seit dieser Zeit wird der Name Marggrabowa (Markgrafenstadt) in den Namen: TREUBURG umbenannt. Am 10. Dezember 1928 wird die Umbenennung vorgenommen.
Ausführlich nachzulesen im TREUBURGER HEIMATBRIEF Nr. 19
Gause sieht in diesem Bekenntnis einen nationalen Solidaritätsbeweis. Er umreißt die Bedeutung des friedlichen Sieges für Deutschland mit folgenden Worten: „Man hatte den Experten in Versailles und der ganzen Welt bewiesen, dass die Propaganda vom polnischen Charakter der Abstimmungsgebiete nicht der Wahrheit entsprach, dass Sprache und Nationalität im Osten nicht übereinzustimmen brauchten, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation nicht von der Sprache abhing, sondern auf einem Bekenntnis beruhte, genau wie die Zugehörigkeit zu einer Konfession. Dieses Bekenntnis, das die Preußen damals ablegten, war nicht allein ein Bekenntnis zur altgewohnten preußischen Ordnung, für die man nicht die labilen Zustände eines neu entstandenen polnischen Staates eintauschen wollte, sondern war ein Gelöbnis, dass man ein Teil des deutschen Volkes war und bleiben wollte.“
Die Abtrennung vom Mutterland bedeutete nicht nur eine geographische, sondern auch eine wirtschaftliche Isolation, die nur mit großer Unterstützung aus Mitteln des Reichshaushaltes auszugleichen war. So führte beispielsweise die „Deutsche Ostmesse“ in Königsberg zu einer Belebung des Handels. Von Pillau nach Swinemünde schuf man eine neue Verbindung über See unter dem Namen „Seedienst Ostpreußen“. Später wurde sie auf Zoppot, Travemünde, Kiel und Helsinki ausgedehnt. Königsberg erhielt einen Flughafen, der die Luftverkehrsverbindungen mit Berlin, Stockholm und Moskau sicherstellte und den Eisenbahnverkehr erheblich entlastete.
Es konnte nicht ausbleiben, dass die von einer politischen Minderheit autoritär geführte Massenbewegung des Nationalsozialismus auch in Ostpreußen Fuß fasste. Gause berichtet darüber: „Man betrachtete die neue Bewegung mit Mißtrauen und Unbehagen, denn es war viel Unpreußisches an ihr. Man war in Ostpreußen konservativ oder liberal oder auch sozialistisch, das alles war preußisch. Unpreußisch waren aber der nationalsozialistische Überschwang und die totalitäre Menschenführung, die die neue Partei verkündete. Wenn sie trotzdem auch in Ostpreußen zahlreiche Anhänger gewann, dann deshalb, weil die abgeschnittene Provinz in besonderer Weise von den unheilvollen Folgen der Versailler Grenzziehung, der Weltwirtschaftskrise und dem Anwachsen des Kommunismus betroffen wurde und die NSDAP lautstark und wirksam diese Bedrohung zu beseitigen versprach.“
Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft wurde genährt durch die Anfangserfolge, die die neue Regierung für sich verbuchen konnte. Der Osthandel erfuhr eine weitere Aktivierung. Die Ostmesse des Jahres 1934 übertraf die des günstigen Konjunkturjahres 1928 bei weitem. Auch außenpolitische Erfolge hatten ein positives Echo. Durch den Freundschaftsvertrag mit Polen vom 26. Januar 1934 war die polnische Bedrohung beseitigt und durch den Vertrag mit Litauen vom 22. März 1939 war das Memelgebiet an das Deutsche Reich zurückgegeben worden.
Während des Krieges war Ostpreußen lange die Befehlszentrale für den Ostfeldzug. Das Führerhauptquartier Wolfsschanze war im Stadtwald von Rastenburg, das Auswärtige Amt in Jägerhöhe bei Angerburg, die Oberste Heeresleitung im Mauerwald, das Oberkommando der Luftwaffe bei Breitenheide. Drei Jahre nachdem Hitler im Sommer 1941 den Angriff auf die Sowjetunion befahl, hatte sich das Bild umgekehrt. Der russischen Feuerwalze war es gelungen, sich bis an die deutsche Ostgrenze heranzuschieben. Während die russischen Angriffe noch einmal vor der ostpreußischen Grenze gestoppt werden konnten, versuchten die westlichen Alliierten durch grausame und unmenschliche Handlungen die Moral der deutschen Zivilbevölkerung zu untergraben. In den Nächten vom 26. zum 27. und vom 29. zum 30. August 1944 griff die Royal Air Force Königsberg an. Die Angriffe richteten sich fast ausschließlich gegen die Zivilbevölkerung. Über 4.200 Menschen kamen in den Bombenangriffen ums Leben. Die Innenstadt von Königsberg wurde fast vollständig zerstört und über 200.000 Menschen wurden obdachlos.
Im Oktober 1944 stieß die Rote Armee über die Goldap bis zur Angerapp vor. Zu spät eingeleitete Evakuierungsmaßnahmen der politischen Behörden bewirkten, dass die Bevölkerung von der Roten Armee überrollt und maßlosen Grausamkeiten ausgesetzt wurde. Als dann am 13. Januar 1945 7 Armeen mit ca. 55 Divisionen der 3. Weißrussischen Front nördlich Gumbinnen die deutschen Abwehrstellungen durchbrachen und in Richtung auf die Hauptstadt Ostpreußens vorstießen, zwei Tage später 55 weitere Divisionen der 2. Weißrussischen Front mit starken Panzerkräften zum Großangriff auf die Weichselmündung antraten und mit der Einnahme der Städte am Frischen Haff die Landverbindungen zu den Gebieten westlich der Weichsel abschnitten, gab es nur noch den verzweifelten Ausweg der Flucht über die in jenen Tagen von winterlichen Unbilden gekennzeichnete Ostsee.
Es ist das Verdienst der deutschen Marine in fast auswegloser Situation, unter ständiger Feindgefährdung, im improvisierten Einsatz und mit beispielloser Opferbereitschaft unzählige Menschen der hilflosen Bevölkerung Ost- und Westpreußens und später auch Pommerns durch die größte Seetransportoperation der Geschichte gerettet zu haben. Nach Schätzungen waren es über 3 Millionen, darunter vor allem Frauen, Kinder, Greise und Verwundete, die auf diese Weise vor einem furchtbaren Schicksal bewahrt werden konnten. Die nachweisbar registrierte Größenordnung überschreitet die Zwei-Millionen-Grenze.
Mit unvorstellbarer Grausamkeit ging die Rote Armee während der Besetzung gegen die wehrlosen Zivilisten vor, die in ihre Hände fielen. Obgleich es in Ostpreußen nie einen Partisanenkrieg von deutscher Seite gegeben hat, sind ungezählte friedliche Menschen bei und nach dem Einbruch der Sowjettruppen in viehischer Weise umgebracht worden, mehr noch an Hunger und Seuchen gestorben. Nicht gering war auch die Zahl derer, die einen freiwilligen Tod den Qualen der Gefangenschaft vorzogen. Was die Überlebenden auf der Flucht bei Schnee und Frost auszuhalten hatten, übersteigt jede Vorstellungskraft. Alles war dem Zufall anheimgegeben, ob jemand ermordet wurde oder am Leben blieb, ob er in ein Lager geschleppt und von dort nach Russland gebracht wurde oder ob er in seinem Dorf bleiben konnte, ob er Hungers starb oder auf irgendeine Weise sich am Leben erhalten konnte. Nüchterne Zahlen mögen das unmenschliche Elend verdeutlichen. Ostpreußen hatte einschließlich des Regierungsbezirks Marienwerder und des Memellandes 1939 etwa 2.653.000 Einwohner. Von ihnen haben sich 1.430.000 auf die Flucht begeben. Von 1939 bis 1950 haben durch Kriegseinwirkung, Mord, Hunger oder Verschleppung etwa 614.000 das Leben verloren, davon 200.000 Wehrmachtsangehörige. Da der Bombenterror des Luftkrieges insgesamt 593.000 Todesopfer gefordert hat, sind also in Ostpreußen in dieser Zeit etwa 20.000 Menschen mehr umgekommen als durch den Luftkrieg in ganz Deutschland in sechs Jahren. Die Bevölkerung Ostpreußens verlor 23 % ihres Bestandes.
Als die Waffen ruhten, gerieten über 500.000 Ostpreußen unter sowjetische Herrschaft. Gause spricht allein von 100.000 Königsbergern, die in der Provinzhauptstadt zurückblieben, davon seien 70.000 verhungert oder an Entbehrungen gestorben. Entsprechend den Beschlüssen der Alliierten auf den Konferenzen von Teheran und Jalta wurden die Deutschen ostwärts der Oder-Neiße-Linie ausgetrieben. Im Sommer 1945 setzt die erste Vertreibungswelle vor allem aus dem Hinterland der von der Roten Armee besetzten deutschen Ostgebiete ein. Die Vertreibungen gingen systematisch, aber lange Zeit völlig unorganisiert und ungeregelt vonstatten. Ihr Übergreifen auf immer weitere Gebiete erfasste schließlich auch den Süden Ostpreußens.
Die unter menschenunwürdigen Bedingungen vorgenommenen Massenaustreibungen im südlichen Ostpreußen - innerhalb weniger Tage hatten die deutschen Bewohner ihre Häuser zu verlassen und sich ohne genügenden Proviant und nur mit notwendigstem Reisegepäck versehen nach Westen abzusetzen - stellten einen Vorgang dar, der in der neueren Geschichte seinesgleichen sucht. Sie verfolgten allein das Ziel, noch vor der Potsdamer Konferenz eine Grenzzone zu schaffen, die frei von Deutschen war. Stalins Behauptung in Potsdam, die Deutschen hätten das von der Roten Armee besetzte Gebiet verlassen, entsprach nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Zwar war ein Teil der deutschen Bevölkerung - wie bereits dargestellt - evakuiert worden, ein anderer Teil konnte sich vor der anrückenden russischen Armee durch die Flucht in Sicherheit bringen, jedoch blieb ein großer Teil an Ort und Stelle. Viele Geflüchtete kehrten nach Einstellung der Kampfhandlungen in ihre Heimat zurück. So wurden die Alliierten in Potsdam mit in Ostdeutschland begangenen Verbrechen konfrontiert, ohne sich in der Lage zu sehen, diesen Verbrechen Einhalt zu gebieten.
Ein „Plan zur Überführung der Deutschen“ (17. Oktober 1945) durch den Kontrollrat und andere Abkommen regelten dann die Vertreibung in geschlossenen Transporten. Daneben gab es Einzelabwanderungen. Die systematischen Massenaussiedlungen dauerten im allgemeinen bis Ende 1947. Später kam es noch zur Vertreibung Volksdeutscher aus dem ehemals polnischen Staatsgebiet und Deutscher aus dem sowjetisch verwalteten nördlichen Ostpreußen.